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Geschichte des Instituts für Zeitungswesen

Vorläufer einer modernen Disziplin auf den Spuren der Geschichte des Instituts für Zeitungswesen

von Cordula Günther

Die Medien- und Kommunikationswissenschaften sind eine junge Fachrichtung, die auf eine kurze, aber expansive wissenschaftliche Tradition zurückblickt. Der Aufstieg des Faches liegt nicht zuletzt an der gegenwärtigen Medienentwicklung, dem Anschluss an die globalen digitalen Informationsnetze, an dem kein Bereich der Gesellschaft vorbeikommt.

Eine ähnliche Situation und Argumentation führte Ende der zwanziger Jahre in Halle schon einmal dazu, das Studium der modernen Medien, damals der Zeitung, zu institutionalisieren. Diese Institutsgründung kann als Vorgeschichte der Medien- und Kommunikationswissenschaften in Halle angesehen werden.
Im Wintersemester 1927 begann der Lehrbetrieb am "Institut für Zeitungswesen". Es war der Jurist, der Völker- und Staatsrechtler Max Fleischmann, der das Studium der Zeitungskunde fächer- und disziplinenübergreifend als eine gesellschaftliche Notwendigkeit ansah und die Institutsgründung durchgesetzt hatte. Die Zeitungswissenschaft musste seiner Meinung nach integrierender Bestandteil aller Disziplinen sein, interdisziplinär und aus den Erfordernissen der Praxis heraus erforscht werden. (vgl. Hans Bursian, S. 484 ff)

Eine studentische Projektgruppe der Medien- und Kommunikationswissenschaften betreibt derzeit Geschichtsschreibung in eigener Sache und erforscht die wechselvolle und lückenhaft dokumentierte Geschichte des Instituts für Zeitungswesen mit dem Ziel, eine Ausstellung zur Geschichte des Instituts und zur Biographie von Max Fleischmann zu organisieren.
Von der Gründungsphase des Instituts bis 1935 ist die Institutsgeschichte untrennbar verbunden mit der Lebensgeschichte des konvertierten Juden Max Fleischmann, der 1935 aufgrund der Rassengesetze von allen universitären Ämtern "entpflichtet" wurde und 1943 in Berlin Selbstmord beging, um der Deportation zu entkommen.

Die Projektgruppe verfolgt zwei inhaltliche Schwerpunkte, die sich aus der Situation nach 1935 ergeben und die sich wie folgt skizzieren lassen:

  • die weitere Geschichte des Instituts in der Zeit des Nationalsozialismus unter der Leitung von Theodor Lüddecke bis 1938 und Angliederung an die Philosophische Fakultät; eine Phase der faktischen Auflösung bzw. Nichtexistenz des Institutes; Wiedergründungsversuche nach 1946; institutionelle und politische Gründe der Schließung;
  • die Umsiedlung Max Fleischmanns nach Berlin; seine Lebensumstände in Berlin bis zu seinem Freitod im Jahr 1943; die Rückkehr seiner Witwe nach Halle, ihre Unterstützungsgesuche an die Universität; die Umbenennung der Fehrbellinstraße in Max-Fleischmann-Straße 1946, die seine Witwe noch erlebte; der Tod von Frau Fleischmann 1949 in Halle unter ärmlichen Umständen.

Obwohl ein Nachlass Max Fleischmanns nicht aufgefunden wurde, ist seine Biographie kein wissenschaftliches Neuland. Bislang ehrte man vor allem den jüdischen Rechtsgelehrten Max Fleischmann und es wurden seine Verdienste um die Juristische Fakultät gewürdigt. (vgl. Walter Pauly) So weisen die Biographie und die Geschichte des Institutes zahlreiche Lücken auf. Diese will die Forschungsgruppe u. a. mit Hilfe der Methode der mündlichen Geschichte so weit wie möglich schließen.

Hier setzt die Suche nach Zeitzeugen an, die mit ihren Erinnerungen und aus der Perspektive der Beteiligten dazu beitragen können, die weißen Flecke in der Geschichte des Instituts und in der Biographie Max Fleischmanns aufzuarbeiten.

Hinter Sätzen wie "Die Neugründung des Halleschen Instituts für Zeitwesen im Studienjahr 1947/48 blieb eine wenig bedeutende Episode. Rudolf Agricola, vorher Lizenzträger der ›Rhein-Neckar-Zeitung‹ in Heidelberg und Vorsitzender der Deutschen Allgemeinen Nachrichtenagentur, der die Leitung des Instituts übernommen hatte, wurde schon im Sommer 1948 mit der Einrichtung eines Instituts für Politische Ökonomie beauftragt." (Hans Bursian, S. 491) verbergen sich politische Entscheidungen, institutionelle Weichenstellungen und persönliche Lebenswege, deren Tragweite man nur erahnen kann.
Max Fleischmann als 230. Rektor der Alma mater halensis in den Jahren 1925/26 Universitätsarchiv Halle, Rep. 40, Nr. l, F 6
Die Forschungsgruppe hofft deshalb auf persönliche Erinnerungen und Lebenszeugnisse, die den bloßen Aktennotizen Leben einhauchen können.

Literatur über Max Fleischmann:

Hans Bursian, Max Fleischmann und das Institut für Zeitungswesen der Universität Halle/Wittenberg. In: Publizistik 4/92

Walter Pauly: Max Fleischmann (1872-1943) und das Öffentliche Recht in Halle. In: Derselbe (Hg.), Hallesche Rechtsgelehrte jüdischer Herkunft (= Hallesche Schriften zum Recht, Bd. 1), Köln, Berlin, Bonn, München 1996

Cordula Günther

Die Autorin studierte 1972-1976 Deutsch und Französisch an der Martin-Luther- Universität. Nach Forschungsstudium und Promotion in Literaturtheorie/-soziologie war sie wiss. Mitarbeiterin an der MLU, ab 1984 wiss. Mitarbeiterin am Zentralinstitut für Jugendforschung in Leipzig. Seit 1992 Projektmitarbeiterin und ab 1995 Leiterin der Außenstelle Leipzig des KWI (Kulturwissenschaftliches Institut NRW). Seit 1998 ist sie wiss. Mitarbeiterin in der Abteilung Medien- und Kommunikationswissenschaften der halleschen Universität.

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